Fine-Art-Landschaftsfotografie:
Zwischen perfekter Momentaufnahme und künstlerischer Vision – Fake oder wahre Kunst?
Die Landschaftsfotografie fasziniert uns, indem sie uns die beeindruckende Schönheit der Natur in Bildern vor Augen führt. Doch wer schon einmal ein atemberaubendes Landschaftsfoto gesehen hat, inspiriert den Ort zu besuchen, und dann feststellen musste, dass die Realität vor Ort flach oder „normal“ wirkte, fragt sich unweigerlich: Wo sind diese epischen Farben und dieses magische Licht geblieben?
Diese Diskrepanz liegt oft daran, dass nicht jedes Landschaftsfoto dem gleichen Ziel dient. Einige Bilder wirken wie exakte, perfekte Momentaufnahmen der Realität. Andere wiederum erscheinen fast wie Gemälde, die eine übersteigerte Wirklichkeit darstellen. Dieser Unterschied führt zur zentralen Frage: Ist zu perfekt einfach nur Fake, oder steckt dahinter eine tiefere künstlerische Absicht?
Der Zusatz „Fine Art“ bei der Landschaftsfotografie impliziert eine klare Abkehr von der reinen Dokumentation hin zur künstlerischen Interpretation. Es ist entscheidend zu verstehen, was diesen Typus der Fotografie auszeichnet, wie man ihn erkennt und was ihn von der normalen Landschaftsfotografie unterscheidet.
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Normale versus Fine-Art Landschaftsfotografie: Realität oder Kunst?
Um die Feinheiten der Fine-Art-Fotografie zu verstehen, ist es notwendig, zunächst die normale Landschaftsfotografie klar abzugrenzen.
Was ist normale Landschaftsfotografie? (Dokumentation und Nahdarstellung)
Die normale Landschaftsfotografie, oder auch jene Form der Landschaftsfotografie, die primär der Dokumentation dient, hat das Ziel, die Natur so festzuhalten, wie sie in der Realität erscheint. Das übergeordnete Ziel dieser Art der Fotografie ist die realitätsnahe Darstellung. Dabei sollen Aspekte wie Farben, Lichtstimmung und Komposition so natürlich wie möglich wirken.
Dieser Ansatz erfordert eine sorgfältige Planung im Vorfeld, kann aber auch spontan entstehen. Aufgrund ihres Fokus auf die glaubhafte Wiedergabe der tatsächlichen Gegebenheiten eignet sich die normale Landschaftsfotografie ideal für bestimmte Anwendungsbereiche. Sie ist perfekt für die Reisefotografie, für Dokumentationen, Magazine oder auch für Werbebroschüren, beispielsweise zur touristischen Vermarktung eines Ortes.
Die Bearbeitung in der normalen Landschaftsfotografie
Die Bildbearbeitung spielt in dieser Form der Fotografie eine eher dezentere Rolle. Häufig sind nur kleine, notwendige Anpassungen erforderlich. Dazu zählen grundlegende Korrekturen wie die Justierung der Belichtung, des Kontrasts oder des Weißabgleichs. Manchmal werden auch kleinere störende Elemente aus dem Bild entfernt oder mit Techniken wie Dodge and Burn ein wenig mehr visuelle Tiefe erarbeitet.
Entscheidend ist, dass die Farben dabei stets so natürlich wie möglich belassen werden, um die realistische Darstellung zu gewährleisten. Werkzeuge wie Lightroom reichen in der Regel aus, um diese globalen oder selektiven Anpassungen vorzunehmen, ohne die Realitätstreue zu gefährden.
Der Aufnahmeprozess der klassischen Landschaftsfotografie
Der Aufnahmeprozess in der klassischen Landschaftsfotografie ist vergleichsweise simpel und zielgerichtet. Er beinhaltet die akribische Planung von Wetter, Licht und Motiv. Der Fotograf sucht den Ort zur richtigen Zeit auf, wählt sorgfältig Brennweite und Perspektive, stellt das Stativ auf und komponiert das Bild sauber.
Oft kommen klassische Techniken wie der Verlaufsfilter zum Einsatz. Das Hauptziel ist es, auf das natürlich einfallende Licht zu warten und im besten Moment auszulösen. Das Endziel ist ein möglichst perfektes Bild, direkt aus der Kamera, welches nur minimaler Bildbearbeitung bedarf.
Was ist Fine-Art-Landschaftsfotografie? (Interpretation und Emotion)
Im Gegensatz zur nüchternen Dokumentation verfolgt die Fine-Art-Landschaftsfotografie einen gänzlich anderen Ansatz: Sie ist eine künstlerische Interpretation der Landschaft. Hier steht die künstlerische Vision des Fotografen in Bezug auf die Landschaft oder den Ort im Mittelpunkt des kreativen Prozesses.
Das Ziel ist nicht, die Landschaft realistisch so abzubilden, wie sie tatsächlich aussah. Vielmehr geht es darum, die Landschaft so darzustellen, wie der Fotograf sie gefühlt und erlebt hat. Für den Fine-Art-Künstler stehen die erzeugte Emotion oder eine ganz bestimmte Bildstimmung im Vordergrund. Es geht darum, ein Werk zu schaffen, das als Kunst für Galerien, als „Wallart“ für Sammler, für das eigene Portfolio oder für einen Bildband geeignet ist. Fine-Art-Landschaftsfotografie zielt darauf ab, beim Betrachter verstärkt Emotionen zu wecken.
Extreme Techniken in der Fine-Art-Aufnahme
Obwohl der grundlegende Prozess – Planung von Wetter, Licht und Motiv – dem der klassischen Fotografie ähnelt, ist die Fine-Art-Aufnahme oft deutlich experimenteller.
Um die künstlerische Vision zu unterstützen, kommen mitunter extreme Aufnahmewinkel oder Brennweiten zum Einsatz, beispielsweise um Größenverhältnisse zu übertreiben oder um eine Szene anders wirken zu lassen, als sie tatsächlich ist. Ungewöhnliche Perspektiven oder extreme Brennweitenbereiche werden bewusst genutzt, um einen „Aha-“ oder „Wow-Effekt“ zu erzeugen. Manchmal wird versucht, etwas Kleines ganz groß erscheinen zu lassen.
Häufiger als in der normalen Fotografie werden ND-Filter für Langzeitbelichtungen verwendet. Ebenso kann der Fine-Art-Fotograf bewusst über- oder unterbelichtete Aufnahmen nutzen, um bestimmte Effekte zu erzielen. Es kann auch vorkommen, dass verschiedene Aufnahmen, wie Langzeit- und Kurzzeitbelichtungen, miteinander kombiniert werden (Timeblending). Im Gegensatz zur klassischen Methode wird bei der Fine-Art-Fotografie oft bereits beim Fotografieren an die spätere, intensive Bildbearbeitung gedacht und entsprechend vor Ort gehandelt.
Die entscheidende Rolle der Bildbearbeitung (Post-Processing)
Der signifikanteste Unterschied zwischen den beiden Fotografieformen wird in der Bildbearbeitung deutlich. Während bei der normalen Landschaftsfotografie nur kleine Korrekturen vorgenommen werden, wird die Nachbearbeitung in der Fine-Art-Fotografie zu einem entscheidenden, kreativen Werkzeug und einem fundamentalen Teil des kreativen Prozesses.
Neben Lightroom werden häufig auch leistungsstärkere Programme wie Photoshop oder Lumina Neo genutzt. In diesem Stadium sind Farben nicht mehr so natürlich wie möglich, sondern können dramatisch verändert werden, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Es können künstliche Lichtstimmungen erzeugt oder Lichtstimmungen deutlich verstärkt werden.
Komplexes Compositing und Manipulation sind erlaubt: In der Fine-Art-Fotografie ist alles erlaubt, was die Vision des Fotografen unterstreicht. Ganze Bildelemente können entfernt oder hinzugefügt werden. Beispielsweise wird häufig der Himmel getauscht, entweder durch Timeblending unter Einarbeitung einer Langzeitaufnahme von vor Ort oder als komplettes Compositing. Aufnahmen unterschiedlicher Brennweiten können miteinander kombiniert oder Verformungen in Photoshop genutzt werden. Atmosphärische Elemente können hinzugefügt werden.
Das Resultat dieser Bearbeitung ist nicht mehr die reine Abbildung der Landschaft, sondern eine künstlerische Vision. Oft werden Bereiche stark abgedunkelt, um das Auge des Betrachters gezielt auf genau das eine Element im Bild zu lenken, das der Fotokünstler hervorheben möchte. Die Grenzen zwischen reiner Fotografie und digitaler Kunst verschwimmen hier stark.
Die Gretchenfrage: Ist Fine-Art-Fotografie Fake?
Angesichts der tiefgreifenden Manipulationen, die in der Fine-Art-Fotografie angewendet werden, drängt sich die Frage auf, ob sie nicht einfach nur Fake ist. Täuscht der Fine-Art-Fotograf sein Publikum? Gaukeln diese Bilder nicht eine Realität vor, die es so gar nicht gibt?
Die Antwort, die in der Quelle gegeben wird, ist ein klares Nein.
Es ist zwar verständlich, dass viele Menschen erwarten, dass ein Foto die Realität exakt wiedergibt, insbesondere in Bereichen wie der Reportagefotografie, wo dies absolut notwendig ist. In der Landschaftsfotografie, besonders wenn die Bilder künstlerisch verwendet werden, ist dies jedoch anders.
Die Analogie zum Maler
Fine-Art-Fotografie wird nicht als Betrug angesehen, solange transparent ist, dass es sich um eine künstlerische Interpretation oder eine umgesetzte fotografische Vision handelt. Um dies zu veranschaulichen, zieht die Quelle den Vergleich zum Maler heran.
Ein Maler bildet seine Landschaft ebenfalls nicht exakt so ab, wie sie in der Realität aussieht. Er malt sie so, wie er sie fühlt. Ähnlich dem Fine-Art-Fotografen kann der Maler Lichteffekte, Tiere oder Himmelskörper hinzufügen. Genauso kann er störende Elemente weglassen, etwa eine Straße, ein Schild oder eine Parkbank mit Mülleimer. Der Maler lässt sich von der Landschaft inspirieren und kreiert seine eigene Interpretation oder Vision auf seiner Leinwand.
Genau dieses Prinzip wenden Fine-Art-Fotografen an. Anstelle von Pinsel und Leinwand nutzen sie ihre Kamera und ihre Bildbearbeitung, um ihre Vision umzusetzen. Es geht nicht um die Dokumentation, sondern um Emotionen, Stimmung und den künstlerischen Ausdruck. Es handelt sich hierbei um Kunst.
Die inhärente Täuschung der Fotografie
Darüber hinaus argumentiert die Quelle, dass bereits die grundlegendsten Entscheidungen in der Fotografie eine Form der „Täuschung“ darstellen, da sie eine vom Betrachter erlebte Realität verändern.
1. Auswahl von Brennweite und Ausschnitt: Die Wahl einer bestimmten Brennweite oder die Festlegung eines Bildausschnitts ist bereits eine Art der Täuschung. Durch das bewusste Weglassen von Landschaftselementen, die man entweder nicht mit auf das Bild nimmt oder nicht aufnehmen kann, entsteht beim Betrachter eine ganz andere Wirkung der Realität.
2. Schwarz-Weiß-Fotografie: Auch ein Schwarz-Weiß-Bild ist im Grunde eine Täuschung, da die Welt nun einmal in Farbe existiert. Die Reduzierung auf Schwarz und Weiß hat den Effekt, Ablenkungen durch Farbe zu minimieren. Dies ermöglicht es dem Betrachter, eine völlig andere Wirkung durch Formen oder Kontraste zu erleben.
Somit gaukelt eigentlich jedes Bild eine andere Realität als die wahre Realität vor. Sowohl Betrachter als auch Fotografen und Fotokünstler sollten sich dieser Tatsache bewusst sein.
Der Schlüssel: Ehrlichkeit und Benennung
Der entscheidende Schlüssel in dieser Debatte liegt in der Ehrlichkeit. Wer Fine-Art-Fotografie betreibt, sollte sie auch als solche benennen und klarstellen, dass es sich um eine künstlerische Interpretation handelt. Nur so wird vermieden, dass Betrachter getäuscht werden, indem ihnen ein "Märchen" erzählt wird, das so nie stattgefunden hat. Fine-Art-Fotografie gilt nicht als Fake, solange sie als künstlerische Vision kommuniziert wird.
Fazit: Zwei berechtigte Ansätze
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl die normale Landschaftsfotografie als auch die Fine-Art-Landschaftsfotografie ihre volle Berechtigung haben, auch wenn sie unterschiedliche Ziele verfolgen.
• Normale Landschaftsfotografie ist darauf ausgerichtet, die Realität abzubilden. Sie dokumentiert einen Zustand unserer Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt.
• Fine-Art-Landschaftsfotografie hingegen visualisiert die Vision eines Fotokünstlers. Ihr Ziel ist es, Emotionen beim Betrachter zu wecken und auszudrücken.
Während die normale Landschaftsfotografie perfekt für Magazine, das persönliche Fotobuch oder ähnliche dokumentarische Zwecke ist, ist die Fine-Art-Landschaftsfotografie meist spezieller und besser geeignet für die Galerie, das Portfolio oder einen Bildband, unter anderem, weil die intensive Bildbearbeitung weitaus mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Obwohl einige die Fine-Art-Fotografie als zu viel des Guten empfinden mögen, ist sie keine Täuschung, sondern eine Form der Kunst. Die Grenze liegt nicht in der Bearbeitung selbst, sondern in der klaren Kommunikation dieser künstlerischen Absicht. Viele Fotografen positionieren sich persönlich auch irgendwo zwischen diesen beiden Extremen, wobei ihre Bilder über die bloße Dokumentation hinausgehen, sie aber dennoch versuchen, so wenig Bearbeitung wie möglich einfließen zu lassen. Ist die Bearbeitung jedoch für die Verwirklichung der Vision oder des Zielfotos zuträglich, darf sie auch weitreichender sein.